MARCUS GEIGER
VERGISS VENEDIG
Eröffnung 05. Oktober 2013, 18–21 Uhr
Praterstraße 42, 1020 Wien
BÜRO WELTAUSSTELLUNG Stiege 1 / Mezzanin
KUNSTRAUM AM SCHAUPLATZ Hof 2 / rechts
Mo–Fr 14.00–18.00
& nach Vereinbarung
Marcus Geiger. Vergiss Venedig
Von Angela Stief
Spanplatten, Filz und Frottée sind die poveren Materialien, die das multimediale Werk des Künstlers und Bricoleurs Marcus Geiger (*1957) auszeichnen. Seine Skulpturen, Installationen, Malereien und Interventionen sind wirkungsvolle räumliche Eingriffe geprägt durch präzise Ausführung, Alltagsnähe und appropriierte Gesten. Doch ist die Wiedererkennbarkeit der Kunst des gebürtigen Schweizers, der seit 1978 in Wien lebt und 1998 für Furore sorgte, als er die Wiener Secession anlässlich seiner Einzelausstellung rot strich, nicht immer so offensichtlich wie in dieser skandalträchtigen Bemalung, die dem Jugendstiljuwel zumindest für kurze Zeit alle Ehrfurcht nahm.
Nur der Spezialist und der Eingeweihte wissen, dass die Skulptur oder darf man sagen Bar, im Büro Weltausstellung, an die man sich seit der Eröffnung des Raumes der Wiener Art Foundation in der Praterstraße lehnt, wo man trinkt und in deren eingelassenem Aschenbecher man Zigaretten ausdrückt, ein Kunstwerk ist, das sich lapidar hinter seinem Gebrauchswert versteckt. Marcus Geiger, der mit Künstlern wie Franz West, Heimo Zobernig und Martin Kippenberger eng zusammenarbeitete, vollzieht gerne einen sensiblen Grenzgang zwischen Kunst und angewandter Kunst, zwischen dem Sanctus, den Ausstellungsräume den Dingen, die in ihnen stehen, verleihen, und der Banalität des Alltäglichen. Dieser Balanceakt zwischen Überhöhung und Übersichtsverlust ist nicht so untypisch für die zeitgenössische Kunst. Doch Marcus Geigers Ouevre ist speziell, da meist mit einer provokanten Note garniert. Zudem ist es stets von einer notwendigen Widerborstigkeit und einer seltenen Bescheidenheit im Anspruch und Ausdruck durchdrungen.
Das Büro Weltausstellung zeigt eine nun längst überfällige Personale des Künstlers mit dem Titel „Vergiss Venedig“, der sich auf das Einladungssujet von einer teilübermalten Tourismusbroschüre der 1980er – Jahre bezieht. Doch vielleicht impliziert er auch mehr: Besser Wien als Venedig? Besser engagierter Kunstraum als Großausstellung? Besser Wiener off space als durchsubventionierte Institution?
Marcus Geigers Ausstellung findet im Anschluß an die Schau der „Putzfrau der Kunstgeschichte“, Zitat Otmar Rychlik – gemeint ist Heimo Zobernig – im Büro Weltausstellung und dem Schauplatz statt und zieht sich über mehrere Räume. Im Wochentakt alternieren die Präsentationen. Der Hauptausstellungsraum, der vorher durch minimalistische Eingriffe glänzte und im dämmrigen Licht funkelte, vermittelt nun einen irritierenden Eindruck: Geigers Installation, die eine gleichermaßen heimelige und sperrige Atmosphäre ausstrahlt, könnte auf den ersten Blick ein in Kunst transformierter Wohnraum sein. Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass jedes Teil im Raum für sich genauso wie als Installation gelingt und auf eine visuelle Formensprache referiert, die der Moderne verpflichtet ist. Die temporäre Zusammenstellung von einem Tisch mit gelochtem Nadelfilzpendant auf dem Boden und Stühlen, deren Sitz und Lehne aus Pappmaché gefertigt sind, sowie einer grünen Kübellampe wird durch ein ganzfigüriges Nadelfilzporträt ergänzt. Der blaue Protagonist, der neben der Bar steht, beherrscht die Szenerie, die von etlichen Frottéearbeiten – großflächigen, monochromen Bildern und einem Kippenbergerbildnis – gerahmt wird. Dieses ästhetische Setting, das das Ready Made spielerisch ins 21. Jahrhundert hinüberreicht, bestätigt die Funktion des Raumes als Bühne der Kunst. Die Ironie und Doppelbödigkeit des Arrangements mit theatralem Charakter wird im Nebenraum durch eine Arbeit auf Sockel unterstrichen: hier versammeln sich auf engstem Raum zu Miniaturen eingeschrumpfte Nachbildungen von Außenskulpturen großer Bildhauer wie Wotruba, Giacometti und Moore, die in den Lagerräumen des MUMOK seit langem den Augen der Museumsbesucher entzogen sind.
Die Kunst als Archivgegenstand hebt sich in Marcus Geigers „Vergiss Venedig“ durch ihren Gebrauchswert von der Reinheit und Deutungshoheit vergangener musealer Werte ab und lädt ein zu sozialen Interaktionen. „Es darf gelacht werden!“, meint Stefan Bidner.